9. Arbeitstagung der Kommission Digitale Anthropologie der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft vom 16. bis 18. September 2024 an der Universität Vechta.

Die Felder kulturwissenschaftlich-ethnografischer Forschung wandeln sich durch und mit Digitalität schnell. Die für solche Forschungen erhobenen Daten verändern sich in ihrer Struktur und sind bereits in der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit fast ausschließlich digital. Gleichwohl sind Beobachtungen und Gespräche oft zentrale Methoden, die jedoch zunehmend mit digitalen Daten verknüpft werden und deren Dokumentationen in der Regel digital vorliegen. Dieser Wandel ist für heutige Generationen von Forschenden und Studierenden in vielen Bereichen selbstverständlich. Digitalität bestimmt zunehmend alle Forschungsbereiche von Sammlung über Auswertung und Niederschrift bis hin zur Verbreitung von Ergebnissen. Dennoch ist die Weiterentwicklung von ethnografischen und qualitativen Methoden bei Weitem nicht abgeschlossen, während sich Fragen nach der Qualität, Zugänglichkeit und Nutzung von Daten neu stellen.

Für die Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Forschungsfeldern sind dementsprechend andere Perspektiven auf klassische qualitativ-ethnografische Methoden und den Umgang mit Daten notwendig. In diesem Zusammenhang wird bereits experimentiert, nicht zuletzt im etablierten Arbeitsbereich der digitalen Anthropologie bzw. Ethnografie. Unabhängig von der Erweiterung auf digitale Felder ist für alle qualitativ-ethnografischen Forschungsbereiche ein Experimentieren möglich und notwendig, um die Verschränkungen von Digital und Analog greifen zu können. Methoden des Walk Through oder Data Walks haben sich als hilfreich erwiesen, solche Weiterentwicklungen sind jedoch sicher nicht die einzig möglichen. Kollaborative Ethnografie hat sich ebenfalls bereits ins Digitale erweitert und kann für die Erforschung digital durchdrungener Alltage auch „offline“ verwendet werden. Verschiedene Ausprägungen digitaler und computationeller Zugänge sind je nach Forschungsfrage zielführend anzuwenden und können den Erkenntnisrahmen von Forschung erweitern. Auch Methoden in der Darstellung von Forschungsergebnissen ändern sich, etwa durch die Nutzung von Versatzstücken von verschiedenen Personen und Aussagen aus dem eigenen Feld, um diese in offen zugänglichen Daten und Publikationen weitergehend zu anonymisieren. Dazu kommen die oft bereits als selbstverständlich wahrgenommenen neuen Möglichkeiten der digitalen Wissenschaftskommunikation und der Publikation, die auch Chancen hin zu nicht-linearen und multimedialen Darstellungsformen öffnen. Nicht zuletzt sind zunehmend historische Forschungsdaten als kulturelles Erbe digital in Datenbanken erschlossen und teilweise öffentlich zugänglich. In diesem Kontext ist der Aufbau digitaler Infrastrukturen ein notwendiger Diskussionspunkt.

Ausgehend von diesen und ähnlichen Entwicklungen möchte die Tagung Beiträge dazu systematisieren, welche digitalen Methoden einerseits und Formen des Umgangs mit digitalen Daten andererseits aktuell in den Forschungszusammenhängen ethnografisch-qualitativer Forschung bestehen. Auch die Überschneidungen beider Bereiche und deren Verstrickungen in Forschungsfelder interessieren. Es soll herausgearbeitet werden, welche konkreten Anwendungen und Weiterentwicklungen bereits umgesetzt werden, wie ethnografische und qualitative Ansätze gestärkt werden können und welche Bedarfe darüber hinaus bestehen.

Programm

Sonntag, 15.09.2024

Gemeinsames Abendessen der schon Anwesenden

Montag, 16.09.2024

13:30-14:00 (Aula) Eröffnung und Begrüßung

14:00-15:00 (Aula) Digitale Methoden und Daten? World Café zu Perspektiven und Fragen der Tagung
Moderation: Lina Franken (Kulturwissenschaften/Digital Humanities, Universität Vechta)

15:00-15:30 Kaffeepause

15:30-17:00 (Aula) Session : „klassische“ Methoden neu gedacht (1/2)

Julia Thibaut (Allgemeine Erziehungswissenschaft, Universität Bayreuth): Zwischen Rekonstruktion und Graphik: Reflexionen über die Heterogenität empirischer Daten vor dem Hintergrund eines Theorievergleichs

Annika Becker, Frank Kleemann (Soziologie, Universität Duisburg-Essen): Voice Messaging: Eine Methode zur Erfassung raum-zeitlich disparater digitaler Praktiken

Felix Gerloff (Critical Media Lab, University of Applied Sciences and Arts Northwestern Switzerland): Medienökologische Prinzipien und Formate für multimodale digitale Forschungsformate

15:30-17:00 (Musiksaal): Panel: Portale, Datenzentren und Archive

Romy Köhler (Fachbereich Altamerikanistik und Ethnologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn): Was fach- und kontextspezifische Perspektiven in neuen Forschungsinfrastrukturen ermöglichen. Kontextspezifische Perspektiven von Provenienzforschungsdaten im Subportal „Collections from Colonial Contexts“ der Deutschen Digitalen Bibliothek

Michaela Rizzolli (Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie, Forschungsdatenzentrum Qualiservice an der Universität Bremen): Kontexte ethnografischer Datenerhebung erhalten (Datenarchivierung bei Qualiservice)

Sabine Imeri (Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie, Humboldt-Universität zu Berlin): Forschungsdatenarchive als neue Facharchive?

17:30-19:00 (Medienkompetenzzentrum): Workshop: Empirisch-kulturwissenschaftliches Publizieren im (digitalen) Wandel
Anne Dippel (Volkskunde/Empirische Kulturwissenschaft, Universität Jena), Kathleen Heft (Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie, Humboldt-Universität Berlin), Sarah Thanner (Volkskunde/Empirische Kulturwissenschaft, Universität Jena)

17:30-19:00 (Medienkompetenzzentrum): Workshop: Die Rolle von KI zur Weiterentwicklung der Hochschullehre im Kontext qualitativer Forschung. Eine Diskussionseinladung
Franco Rau, Benjamin Möbus, Kira Baresel, Lars Gerber, Annekatrin Bock (Medienkompetenzzentrum, Universität Vechta)

19:00 Abendessen (Innenstadt, auf Selbstzahler-Basis)

Dienstag, 17.09.2024

9:30-11:00 (Aula) Keynote 1: New Data Politics: Ethnographische Forschung mit/zu digitalen Methoden
Katharina Kinder-Kurlanda (Digital Age Research Center, Universität Klagenfurt)

11:00-11:30 Kaffeepause

11:30-13:00 (Musiksaal) Session : Social Media Forschung mit digitalen Methoden

Ann-Marie Wohlfahrt, Christoph Bareither (Empirische Kulturwissenschaft, Universität Tübingen): Creating “Ground Truths” through Ethnography: Methodische Zugänge zur interdisziplinären Analyse von Social-Media-Algorithmen durch die ethnografische Arbeit an Datensets für ML-Systeme

Maribel Graf (Empirische Kulturwissenschaft, Universität Tübingen): Digitale Gefühlstagebücher als Methode und heuristisches Prinzip

Laura Haddad (Kultursoziologie, Universität Göttingen): Digital Creator mit Hijab. Eine Diskursethnographie über mediatisierte Modebilder und Blickregime in Deutschland


11:30-13:00 (Aula) Session: Mit Daten über Daten forschen (1/2)

Sabina Mollenhauer (Kulturwissenschaften/Digital Humanities, Universität Vechta): Kontext, Kontext, Kontext – Der Beitrag Geisteswissenschaftlicher Forscher:innen zu FAIR und Open Data

Dennis Möbus (Institut für Geschichte und Biografie, Fernuniversität in Hagen): Die Visualisierung von Interviewverläufen als Zugang zur digitalen Sequenzanalyse

Verena Platzgummer (University of Galway, Eurac Research, Bozen), Andrea Leone Pizzighella (Eurac Research, Bozen), Elias Telser (Universität Ca’ Foscari Venedig, Eurac Research, Bozen), Egon Stemle (Eurac Research, Bozen): Das ethnographische Datum als Open Science Enigma: Herausforderungen und Möglichkeiten aus zwei Projekten

13:00-14:30 Mittagspause

14:30-16:30 (Musiksaal) Session: Digitalität und Raum

Simone Egger, Leonie Müller (Europäische Kulturanthropologie, Universität des Saarlandes): Kulturanthropologische Stadtforschung in der flüchtigen Moderne. Digitale und analoge Innenstadträume in Frankfurt am Main, Saarbrücken und München

Franz Erhard (Soziologie, Universität Siegen), Nadine Jukschat, Emilia Socha (Soziologie, Hochschule Zittau/Görlitz): Digitale Gemeindeforschung: Zur Verbindung von qualitativen Offline- und Online-Daten

Lukas Adrian Jurk (Social and Industrial Design, Technische-Universität Braunschweig), André Epp (Erziehungswissenschaften, Technische Universität Cottbus-Senftenberg): Bewegungen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit. Qualitativ-ethnografische Interviews in virtuellen Realitäten

Zita Seichter (Kultur- und Raumtheorie, HafenCity Universität Hamburg): „Please enter your search term here.“ über Zugänge, Methoden und weitere Herausforderung im ethnografischen Erforschen rechtsagitierender, hybrider Räume


14:30-16:30 (Aula) Panel: Digitales Feldnotieren. Podiumsdiskussion zum ethnografischen Schreiben, Dokumentieren, Annotieren und Lokalisieren im Digitalen

Katrin Amelang (Ethnologie und Kulturwissenschaft, Universität Bremen), Dennis Eckhardt (Soziologie, Friedrich-Alexander-Universität Nürnburg), Ruth Dorothea Eggel (Empirische Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie, Universität Bonn), Victoria Huszka (Empirische Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie, Universität Bonn), Roman Tischberger (Europäische Ethnologie/Volkskunde, Universität Augsburg), Libuše Hannah Vepřek (Empirische Kulturwissenschaft, Universität Tübingen)

16:30-17:00 Kaffeepause

17:00-18:00 (Aula) Offene Fragen, viele Antworten? Interaktives Zwischenfazit
Moderation: Lina Franken (Kulturwissenschaften/Digital Humanities, Universität Vechta)

18:00-19:30 (Aula) Sitzung der DGEKW-Kommission für Digitale Anthropologie
(für alle Interessierten offen)

19:30 Abendessen (Universität)

ab 21 Uhr: Tagungsparty (Innenstadt, Kneipe „Banane“)

Mittwoch, 18.09.2024

9:30-11:00 (Aula) Keynote 2: Die Quadratur des hermeneutischen Kreises. Zu den (Un)Möglichkeiten digitaler Ansätze
Evelyn Gius (Technische Universität Darmstadt)

11:00-11:30 Kaffeepause

11:30-13:00 (Musiksaal) Session: Mit Daten über Daten forschen (2/2)

Nurhak Polat (Ethnologie und Kulturwissenschaft, Universität Bremen): Gegendaten: Ethnografie zwischen Datenüberfluss und Datenleere

Sarah-Mai Dang (Medienwissenschaft, Universität Marburg): Un/Sichtbarkeiten. Zur Visualisierung von Widersprüchen und Leerstellen in filmhistorischen Metadatensammlungen

Nils Egger (Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung, Universität Stuttgart): Digitale Daten(-praktiken) in der kommunalen Wärmeplanung und ihrer qualitativen Beforschung – Reflexionen aus der laufenden Forschungspraxis


11:30-13:00 (Aula) Session: „klassische“ Methoden neu gedacht (2/2)

Fabio Roman Lieder (Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Universität der Bundeswehr München): Hybrid research in the making – Die Hybridisierung der Qualitativen Forschung durch ‚intelligente‘ Modulsysteme

Nicolas Dittgen (Leibnitz-Institut für Maritime Geschichte Bremerhaven / Kulturwissenschaften/Digital Humanities, Universität Vechta): Digitale Partizipation im musealen Bereich ethnografieren. Zum Zusammenspiel von Kuration, Stakeholder:innen und digitalen Anwendungen in der Erhebung

Isabella Kölz (Kulturwissenschaften/Digital Humanities, Universität Vechta): Let’s get multimodal: Design-anthropologische Experimente mit Forschungspartner:innen aus dem Informationsdesign

13:00-14:00 (Aula) Abschlussdiskussion

ab 14:00 Ausklang mit Imbiss vor Ort

Die Anmeldung zur Tagung ist bis zum 31.08.2024 möglich. Bitte melden Sie sich per E-Mail unter digitalhumanities@uni-vechta.de an. Die Teilnahmegebühr beträgt 20 €, in begründeten Ausnahmefällen kann diese erlassen werden.

Weitere Informationen unter https://www.uni-vechta.de/tagung-digitale-methoden-und-daten